Heißblütig am Eiskanal

Eigentlich sollte uns die diesjährige Vorbereitungsfahrt in altbekannte Gefilde am Oberrhein führen. Der künstliche Wildwasserkanal in Huningue hat schon so manchen Novizen das Kehrwasser-Fahren gelehrt und beste Bedingungen für Übernachtung und Nahrungssuche geboten.

Aber wir würden unserem hart erarbeiteten legendären Namen nicht gerecht, wenn wir uns nicht wagemutig in jede neue Walze stürzen würden, die der Globus zu bieten hat. Genau aus dieser Abenteuerlust und diesem Entdeckerdrang, vor allem aber weil der Bootshänger dorthin fuhr, machten wir uns auf in fremde Länder voller Gefahren und Wunder und gelangten nach endloser Fahrt in Augsburg - Freistaat Bayern an.

Während die zweimotorige Autokarawane mit acht Personen an Christi Himmelfahrt sich ihren Weg nach Süden schlängelte, wurde uns digital schon die Situation am Campingplatz übermittelt.

Sonnenschein pur, ein kleiner See mit Strand, eine riesige Wiese und ein unförmiger fränkischer Wanst.

Nach einer verschwitzten aber nicht weniger herzlichen Begrüßung wurden vier Zelte und ein freistehender Mittagstisch zu unserem Basislager erklärt. Minuten später setzte die Dämmerung ein und damit nahm das Grauen seinen Lauf. Scharen, ach was schreib ich, Legionen von Moskitos fielen über uns herein und zapften alles in Reichweite an. Das liebevoll zubereitete Risotto wurde schnellstens verschlungen und die freien Hautstellen in lange Klamotten versteckt. Die 500m entfernte Toilettenanlage konnte kaum jemanden zum Spülen an diesem Abend überzeugen, sodass Mark unter stärkstem Protest für den Morgen 40 Brötchen bestellte und wir alle nur noch zufrieden in die Betten schlüpften und den Tag erfolgreich hinter uns brachten.

Familie Krämer läutete mit unserm Privatgockel Carlotta den Tag ein. Welch Lautstärke ein so kleiner Resonanzkörper doch erzeugen kann. Wie zu erwarten, wurde die angeblich überdimensionierte Brötchenbestellung schon zum Frühstück fast vertilgt und der vorabendliche Unglaube wandelte sich kleinlaut zu genüsslichen Geschmatze und Gegrunze - die Bayern backen eben gern kleine Semmel.

Mit gefüllten Mägen stieg der Bewegungsdrang ins Unermessliche. Endlich wollte man die Olympiastrecke von ’72 sehen und befahren. Im Internet als glatte IV beschrieben, bewarb Josef als Insider den Kanupark als für alle Kaliber geeignet. Seinem Versprechen sollte er, spontan nachgereist, am Freitagmorgen nachkommen und traf uns direkt am Kanal.

Eine kurze Einweisung in Baby-, Jugend- und Olympiakanal definierte auch gleichzeitig die heutigen Arbeitsplätze der Sportler. So wurden die folgenden K1 zu Wasser gelassen: Turbine Fleischmann, Lukas Skywalker, der wilde Willi, Chaos-Kathrin, der Kamikaze Trainer, Papa Felix und Coach Josef. Als kompletter Neuzugang und erst seit vier Wochen im Sattel traute sich Jonas in die bewegten Fluten, die er auch sofort souverän meisterte. Jetzt müssen wir nur noch geradeausfahren lernen.

Der untere Jugendkanal diente uns als perfekter Spielplatz für Kehrwasser, Welle, Verschneidung, Rolle sowie Sicherung und Rettung im Wildwasser. Zur Abkühlung bei knapp 30°C im Schatten bauten die Kadetten die eine oder andere Schwimmeinlage mit in das Programm ein und sicherten so die lange Tradition des Kenterweins. Zum Vesper wurden die geschmierten Brötchen schlussendlich im beschatteten Kanupark verzehrt. Nach einer kurzen Verdauungspause sollten die alten Hasen sich im Eiskanal bewähren. Josef trieb die beiden Willigen zum obersten Einstieg und erklärte noch letzte Details. Danach ging es rasant los, erst durch den pulsierenden oberen Abschnitt, dann in die Einfahrt des Eiskanals. Die 300m lange Betonrinne kennt kein Pardon und verzeiht keine Fehler.

Während die Slalomfahrer wie Forellen sich den Bach hoch und runter spielten, plumpsten drei träge Wildwasser-Einer mit gar nicht so geringer Geschwindigkeit die Kehrwässer entlang. Ein glückseliges Lächeln auf Josefs Wangen, verändert sich zu „neutral beeindruckt“ auf Felix’ Gesicht und geht letztlich über in leicht panisch-überwältigtes Schnaufen bei Mark. Dieser inspizierte den Kanalboden dann auch gleich längerfristig und mehrmals Kopfüber. Bei einer dieser Inspektionen muss die Helmkamera etwas gelitten haben, die stellte kurz darauf ihren Dienst ein. Der Kundendienst wird sich ihrer annehmen müssen. Zum Abschluss warfen sich die drei Trainer ohne Boote in die Fluten und schwammen durch den wilden Ritt. Natürlich alles im Sinne der Sicherheit.

Während Josef weiter Richtung Lofer zur Deutschen Meisterschaft der Abfahrtsfahrer zog, kamen wir wieder zu Hause an. Es wurden gleich die Töpfe für Spaghetti Bolognese gerichtet und kurz darauf waren alle tapferen Wellenreiter am Tisch mit Kauen beschäftigt. Die Videoanalyse auf unserem neuen Laptop (Danke Jürgen!) blieb aufgrund technischer Schwierigkeiten und der anrückenden Armee von Mosquitos aus. Die Flucht zur Spülstelle wurde von fast allen Geplagten freiwillig angenommen, sodass am nächsten Morgen wieder sauberes Geschirr zur Verfügung stand. Diesen Elan vermisst man öfter auf anderen Fahrten…was Insekten so alles ausrichten können.
Der Samstag begann wie der Freitag mit einem ausgelassenen Frühstück und einer Runde Schwimmen im See. Für die fleißigen Wikinger stand heute der obere Teil des Jugendkanals auf dem Programm.

Mit einer deutlich heftigeren Strömung und stärkeren Kehrwässern wurden die persönlichen Grenzen wieder neu ausgetestet. Jonas und Kathrin machten es sich in den beiden Wassertaxis gemütlich während die Einzelkämpfer sich durch Strömung und Welle arbeiteten um dann in den ruhigeren Teil des Jugendkanals abzubiegen. Die Zweier folgten allerdings nicht, sondern bogen in den Eiskanal ab und befuhren diesen zügig. Im Karussell-Verfahren wurden alle willigen den Fluten im Topo-Gespann vorgeführt.

Zum Abschluss wurde der Kanal nochmal ohne Boot bezwungen. In strahlendem Sonnenschein wurden die Klamotten schnell getrocknet und im Hänger verstaut. Im Basislager angekommen gesellten wir uns in das Camping-Restaurant und genossen Grillplatte, Spare-ribs und sämtliche Desserts, die die Küche noch zu bieten hatte. Man gönnt sich ja sonst nix.
Sonntag galt, ebenso wie Donnerstag allein dem Verstauen der Gerätschaften und der Heimfahrt. Turbine Fleischmann meldete nach gefühlten 30 Sekunden seine Heimkehr, während wir noch auf die entsprechende Autobahnauffahrt zu schlichen. Daheim angekommen wurde fluxs der Hänger und die Autos entladen und sich müde verabschiedet.

Augsburg wir kommen wieder - ein Versprechen, keine Drohung. Es hat Spaß gemacht, jeder konnte auf seinem Leistungsstand arbeiten und sich steigern, das Wetter war brillant, nur an den Stechmücken könnte man mosern. Die Entfernung nach Frankreich ist nahezu identisch, die Benutzung des Kanals (noch) kostenlos. Wir ziehen also folgendes Resümee: Eiskanal erfolgreich und heißblütig inspiziert und ins Repertoire der Ausflugsziele aufgenommen!

Euer eiskalter Bademeister


P.S. Da wir vor lauter paddeln vergessen haben den Kanal zu fotografieren, sind die Bilder 9, 10, 11, 13 und 14 Wikimedia commons entnommen. Vielen Dank dem Fotografen