Familie Vollprofi In einem gewissen Alter kommt die Zeit, da verspürt das eine oder andere Pärchen den Wunsch sich zu vergrößern. Während manche einfach loslegen und sich ins kalte Baby-Wasser stürzen, gehen andere den Umweg und legen sich erst ein Haustier zum Üben zu. Da wir aber Vollprofis sind und zur Ungeduld neigen, legten sich Mark und Kathrin gleich drei Teenies für eine Woche zu. Aber der Reihe nach. Die diesjährige Wildwasser-Sommerfahrt stand in sehr wechselhaftem Wind. Während sich recht schnell interessierte Teilnehmer fanden, standen kaum Fahrer und Trainer zur Verfügung. Ein treues Gefährt mit Anhängerkupplung wurde händeringend gesucht. Je näher man der Urlaubswoche entgegenschritt sprangen immer mehr Sportler wieder ab, sodass letzten Endes noch fünf wackere Sportler die Reise im Schwiegereltern-Mobil nach Österreich antreten sollten. Während Mutti (Kathrin) und Vati (Mark) sämtliche Vororganisation übernahmen, tummelten sich die Kinder (Fabienne, Willi) gekonnt um die Arbeit herum, schafften es aber bis Samstag früh die Koffer gepackt zu haben und den Hänger beladen zu bekommen. Unser fränkisches Sorgenkind sollte Montagabend aus Kroatien nachreisen und die Gruppe vervollständigen. In flottem Tempo ging es dem Äquator entgegen mit allerlei Proviant der feinsten Sorte. Mini-Salamis, Gummibärchen, Müsliriegel, Obst und geschmierte Brote erfüllten sämtliche Vesperwünsche auf der zehn stündigen Fahrt nach Lienz in Osttirol. Vor zwei Jahren waren wir bereits Gast auf dem Amlacher Hof, der seitdem kein Stück seines Charmes verloren hat und mit seiner zentralen Lage die optimale Basisstation darstellt. Zeitgleich zu unserem Besuch versammelten sich die Kanujugend NRW und die Kanujugend Rheinhessen auf unterschiedlichen Campingplätzen, wobei hier Personenzahlen von 150 bis 200 Teilnehmern genannt wurden. Wir befanden uns also in bester Gesellschaft. Zum Einkaufen zu spät, blieb uns nur noch das Errichten der Zelte und unser erstes Abendmahl auf alter Stelle neben dem Pool. Nudeln mit Tomatensoße lassen jeden Kindermagen gesättigt und ohne große Diskussionen zu Bett gehen. Die Pflegeeltern werden noch geschont. Am Sonntag ging es für alle nach einem ausgedehnten Schlaf und Frühstück auf die Drau. Der Fluss bietet hier Wildwasser der Stärke I-II über zwölf Kilometer (Kosakenfriedhof – Nikolsdorf) an und diente somit optimal zum Kennenlernen der Wasserverhältnisse. Den knapp 35°C Lufttemperatur standen frische zwölf Grad Wassertemperatur gegenüber, wurden aber dankend in Kauf genommen. Da zum Umsetzen nur ein Auto zur Verfügung stand, musste Mark seinen Drahtesel nötigen die zwölf Kilometer wieder zum Einstieg zurückzufahren. Ab Dienstag wären ja zum Glück zwei Autos anwesend. Voller Tatendrang wurde die Drau von vier Einern abgeritten und kurz vor Ausstieg noch ein Nebenfluss stromauf begutachtet. Die Herren der Schöpfung hingen gleich noch sechs weiter Kilometer auf dem oberen Stück der Drau an (Galitzenklamm – Spielwelle). Mit dem ersten Schritt aus dem Boot fing es am Himmel an zu Blitzen und zu Donnern. Und es sollte auch bis Dienstag nicht mehr aufhören zu gewittern. Bilder, wie man sie nur von der Salza (Salza Regenwoche) noch kennt, formten den komplett geopferten Montag. Möge der Regengott der restlichen Woche umso gnädiger sein. Den Teens war’s recht, liefen doch Serien im warmen trockenen TV-Raum und die Älteren beschwerten sich auch nicht über die freie Zweisamkeit im Zelt. Ein mittäglicher Anruf des Erstgeborenen und dessen Mitteilung über eine verspätete Ankunft mittwochmorgens, ernüchterte die Radlerbeine des Papas. Der Geburtstag der Großeltern ist eben eine kurzfristige und jährlich sehr variable Angelegenheit. Dienstagmorgen, es regnet nicht mehr, dafür ist es recht frisch draußen, bringt uns (über)volle Bäche und leichten Sonnenschein. Die Zelte haben gerade so den Schutt überlebt und Willi kämpft in seinem Schildkrötenpanzer gegen die auf- und durchsteigenden Fluten. Wir entschließen uns einen neuen Fluss in einem der Nebentäler zu fahren. Die Gail kann nach entsprechenden Regenfällen gut gefahren werden und bietet auf der Strecke Birnbaum/Nostra bis Kötschach-Mauthen Wildwasser der Kategorie II-III (+) über zehn Kilometern. Glücklicherweise befand sich eine größere Gruppe der Kanujugend NRW am Startpunkt, die uns bei der Umsetzerei half. Die Fahrt mit dem Fahrrad durch kleine Bergdörfer und Serpentinenstraßen über 17km hätte Jahre gedauert. Wieder in den Solo-Booten unterwegs geht es für die Kleinfamilie flott in der tiefen Waldschlucht voran. Kleine Wellen und verblockte Stellen werden erfolgreich gemeistert und versprechen eine schöne lehrreiche Erstbefahrung. Kurz vor Halbzeit kentert unsere junge Dame unglücklich und prellt sich ordentlich die Knochen. Während Sohnemann dem Boot nachstellt und Papa das Töchterlein einfängt, versucht Mutti das Paddel zu sichern und kentert dabei. Zwei Schwimmer, loses Material, Mark ist in Handlungsnot. In gemeinsamer Anstrengung können die Damen mitsamt Material unversehrt aber geschockt gesichert werden. Eine kleine Pause mit Zucker und Flüssigkeit sollte verlorene Kräfte zurückrufen, doch kurz darauf ist die Fahrt für Fabienne beendet. Die Kanujugend splittete sich zufällig auch hier in eine fahrende und eine bleibende Gruppe, sodass Fabienne versorgt war. Die restlichen schlossen sich der weiter fahrenden Gruppe an. Hierzu wurde ein gar biestiges Walzenloch umtragen und die Tour fortgesetzt. Auch auf den letzten fünf Kilometern bot sich die Gail von ihrer besten Seite, sodass Kathrin anfing nach dem Haar in der Suppe zu suchen. Und wenn man seine Nase zu tief ins Nass steckt, kommt es unweigerlich zur dritten Kenterung des Tages. Auch diesen Schwimmer konnten wir bergen und die interessante und lehrreiche Fahrt beenden. Aus Kathrins abschließendem Zitat auf die Frage warum sie gekentert sei: „Eigentlich wollte ich gar nicht ins Kehrwasser fahren. Das hat mich hinterrücks von der Seite geschnappt! Wahrscheinlich trainieren wir das deswegen immer so viel!“, können wir zumindest eine passende Grundausbildung unserer Wildwasser-Fahrer erahnen. Vollprofis eben. Und wo wir gerade bei Vollprofis sind: unser Lieblingsfrankenkind meldete sich letztlich vollständig ab, da ein Hörsturz drohte und sowas besser daheim auskuriert werden muss. Marks Beine jubilierten. Auf den Heimfahrten wurde meist eingekauft; was mit vier Personen kein zeitaufwändiger Akt sein sollte. Aber mit zwei Eisteeabhängigen, sonderwunsch-behafteten, durchaus wählerischen Teenies gestaltet sich selbst der Aldi-Einkauf zur Geduldsprobe. So wurden beispielsweise drei Märkte abgeklappert um ausreichend Milchreis für Abendbrot zu besorgen. Die Sportgeschäfte mit 70% SSV wurden von Vati vorsorglich umfahren. Sonst wären die Damen nicht mehr heimgekommen. Zwei Flüsse standen noch auf unserer Liste, sodass wir mittwochs die etwas weiter entfernte Möll aufsuchen wollten. Früh aus den Federn gestiegen, ließ eine Schraube unseren Traum aber noch auch dem Campingplatz platzen. Und wie das immer bei größeren Baustellen ist, arbeitet einer und der Rest überprüft das Gearbeitete lautstark. Ein kurzer Schwenk zum Reifenreparateur ließ uns aber nachmittags zumindest noch die Isel vor der Haustür fahren. Auf dem 17km langen Stück von Mündung Kalserbach bis Kosakenfriedhof feierten der Erwachsenen-Topo und Willi im Teenie-Einer Welle und Walze bis zum Ausstieg. Die vorangegangenen Regenfälle trugen zu höheren Wasserständen und damit zu starken Brechern und Rückläufen bei. Kurz vor Ende wurde die IVer Kernstelle in Lienz souverän mit einer kleinen Rolleinlage bezwungen und auch dieser Tag für erfolgreich erklärt. Der Abend wurde mit dem Abkratzen einer zentimeterdicken angebrannten Milchreis-Kruste beendet. Ratet mal mehr kratzen durfte! Mit dem zweiten Anlauf an die Möll sollten wir mehr Glück haben. Mit Mann und Maus ging es ins Mölltal und in Obervellach an den Start. Auch hier konnte man die Wassermassen aus den Bergen erahnen, wobei mittlerweile wieder gefühlter Normalpegel herrschte. Fabienne wollte lieber das Auto hüten, sodass diesmal drei Einer aufs Wasser gingen und das Panorama bestaunten. Die Möll kennzeichnet sich durch kleine Gefällstufen, „Schaukelwellen“ und mittleren Ziehstrecken. Auch hier wurden wieder Kehrwässer ausprobiert und das dazugehörige Auge geschult. Nach zehn Kilometern erreichten wir einen Stausee, der das Ende der Fahrt anzeigte. Auf dem Heimweg wurde noch schnell der Mölltalgletscher besucht, wobei hier gerade die Pforten geschlossen wurden. Freitagmorgen wurde lautstark der versprochene Wandertag eingefordert. Was will man als Familienoberhaupt da groß gegen argumentieren? Alle Mann und Frau in Rekordzeit im Auto verstaut und wieder ab zum Mölltalgletscher. Willi und Mark waren Anfang des Jahres hier bereits Ski fahren, sodass die Spannung groß war, die Landschaft ohne Schnee zu sehen. Mit dem Mölltal-Express ging es in rasanter Geschwindigkeit durch einen Tunnel von 1222m NN auf 2241m NN. Auf der Mittelstation angekommen ging es in der Gondel weiter auf 2800m NN zum Eissee-Restaurant. Von hier aus starten die meisten Wanderrouten Richtung Tal, aber auch eine Route zum Gipfel. Diese galt es zu bewältigen. Top ausgerüstet wanderten wir entlang der präparierten Skipiste hinauf zum Gipfelkreuz auf 3122m NN. Dem obligatorischen Siegerfoto folgte die Sesselliftfahrt zurück zum Restaurant, in dem wir feinste österreichische Speisen wie Käsespätzle und Kaiserschmarrn verputzten. Zum Abstieg teilten wir uns wieder auf, wobei die Teens die Gondelfahrt genossen und die Pflegeeltern im romantischen Bergpanorama der Mittelstation entgegen wanderten. Die Heimfahrt im hängerlosen Automobil gestaltete sich extrem schnell und wendig, sodass wir rechtzeitig im Drautal ankamen, um noch ein wenig Nachmittagsprogramm zu genießen. Die Herren zog es denn, ihrer (Wellen-)Jägernatur folgend, nochmals auf die Isel, während die Sammlerinnen einen kurzen Blick hinter die Sale-Schilder werfen wollten. Gesagt, getan, die Herren stiegen in Huben auf die Isel und fuhren gemütliche 12km III-III+ bis Ainet. In den zwei Stunden vertrieben sich die Damen die Zeit mit Shopping und holten die Herren pünktlich beim Ausstieg ab. Samstag morgen läutete die Heimreise ein. Schnell wurde gefrühstückt und der Hänger beladen, sodass wir zeitig auf der Strecke und Daheim ankommen würden. Gegen 21Uhr wurde das Bootshaus zum Entladen geöffnet und alles nötige verstaut. Zwei Stunden später waren die vier Alpinisten in ihren jeweiligen vier Wänden und die (un-)freiwillige Elternschaft der abgeschafften Urlaubsreifen beendet. Wenn man Urlaub vom Urlaub braucht, lässt man sich mit der Familienplanung vielleicht doch noch etwas Zeit. Eurer Papa Vollprofi! |