Es flattern die Hühnereier

Mein erster Eintrag ins Fahrtenbuch ist genau zehn Jahre her. „Ardeche-Schlucht im Topo Duo mit Pascal bei 2,45 m Pegelstand“. Dieses Jubiläum ist mir erst beim Schreiben dieses Berichts aufgefallen, umso schöner ist aber, dass ich es mit ganz vielen Personen feiern konnte.

Bereits im Herbst des Vorjahres wuchs die Idee einer generationenübergreifenden Wildwasser-Anfängerfahrt in den Süden Frankreichs. Recht schnell wuchs der Teilnehmerkreis auf 20 Sportler an und stellte die Organisation vor diverse Hindernisse. Galt es doch verschiedenste Alter, Erfahrungslevel, Urlaubsinteressen und nicht zu vergessen Essenswünsche zu beachten. Zu den absoluten Beginnern und Vereinsgästen zählte die Familie Hoff mit Pia, Kali, Mila (5) und Jona (7). Timo H. und Lisa wollten die Region nicht nur vom Wasser aus erleben, sondern auch mit Seil und Karabiner die Felswände erklimmen. Sicherer im Boot saßen Robin und Christian, die teilweise frisch ausgerüstet den Gischt-Wellen entgegenfieberten. Zu den ehrwürdigen Flachwasserexperten müssen sicherlich Jutta, Conny und Mike gezählt werden, die ihre Komfort-Zonen ausbauen wollten. Den Überblick über den beschriebenen Hühnerhaufen versuchten Timo B., Kathrin und Mark zu behalten während die Urlaubssparte durch Michael D., Sandra und Ludmilla besetzt wurde, die bei ausgedehnten Spaziergängen und Nickerchen das Camp bewachten.

Ab Mitte der Fahrt bereicherten Anna, Lukas und Josef das Team. Während des Eskimotrainings in der Mombacher Traglufthalle konnten bereits erste Kontakte mit Boot und Wasser geknüpft werden. Das Augenmerk lag hier auf den Grundschlägen und der Sicherheit im Boot in Form von Notausstieg und verschiedenen Rettungsmanövern.

Bei einer solch diversen Gruppe fiel die Terminierung noch am leichtesten. In vier Wägen wurde der Karfreitag zur Anreise genutzt und teilweise im Stau in und um Lyon verschwendet. Während der Wohnwagen und der Weinkelch bereits im Lot standen, bezogen die Teilnehmer ihre Hütten. Die Pegel wurden bei Nudeln mit Tomatensoße gecheckt und die erste Fahrt besprochen. Wie erwartet, wollten alle schnellstmöglich aufs etwas schwächelnde Wasser. Während Timo B. Robin und Christian an einer kleinen Welle direkt am imposanten Felsbogen das Kehrwasser fahren und strömungskreuzen beibrachte, wählte Mark mit dem Rest der Mannschaft einen ruhigeren Start. Am oberen Ende des Örtchens Vallon Pont d’Arc, direkt oberhalb eines kleinen Wehres, wurden die Boote eingerichtet und letzte Instruktionen zur Sicherheit gegeben.

Die Strecke weist sicherlich mehr flache Ziehstrecken als Schwierigkeiten auf, dennoch stellen die vielen Wehr-Rutschen eine besondere Aufgabe und gewünschte Abwechslung dar. Beim Abladen wurde denn auch gleich ein Paddel IM Hänger vergessen, aller Anfang ist eben schwer. Eine Fahrt der Neuheiten: Familie Seidl bewaffnet mit einem steuerlosen (!) Wildwasser-Zweier, Kathrins erste Topo-Kapitänsfahrt, vier Solo-Novizen und ein Zweier mit nur einem Paddel; Wo soll das nur enden? Ganz souverän am Campingplatz! Nach sechs Kilometern und fünf Rutschen wurde am Campingplatz angelegt und pausiert. Conny und Mike beendeten mit ordentlich Adrenalin und Endorphin die Fahrt ebenso wie Kali und Mila.

Der Rest fuhr den anderen zum Pont d’Arc entgegen. Kurz nach der Pause erschien bereits die erste „Stelle“: Ein S-förmiger Strömungsverlauf mit leichter Verblockung. Aufgrund der Osterfeiertage mussten wir den Fluss mit einer Vielzahl französischer Spontansportlern teilen, die ihr Bestes gaben am „Loreley-Felsen“ aufzulaufen, zu kentern und sich gegenseitig zu ertränken. Nach kurzer Begutachtung und Besprechung der Linie kam unsere Gruppe aber sitzend im nächsten Kehrwasser an. Die nächste Stelle, der „Charlemagne“, ist eine leicht verblockte Strecke mit Abschluss in einer stehenden Welle, die unser Tagesziel markierte. Als wäre sie schon immer Wildwasser gefahren, hämmerte Jutta ihren Invader durch die Wellen in das Kehrwasser ohne Kopfüber die Steine zählen zu müssen. Nach ein-zwei Kreuzungen der Strömungszunge zogen wir zum Ausstieg und schleppten die Boote nach insgesamt 10 km zum Hänger.

An Ostersonntag verwöhnte uns die Sonne, zu Ungunsten des Wasserstands. Als Tagesfahrt wurde die Strecke von Lanas nach Ruoms mit 16 km ausgewählt. So machten sich 13 Osterhasen (Kathrin/ Jona, Mark/ Mila, Mike, Kali, Pia, Timo H., Lisa, Timo B., Christian, Robin, Jutta) auf den Weg zur Bärenhöhle, diversen Rutschen und einer abwechslungsreichen Fahrt auf der mittleren Ardeche. Mike hatte, wie die anderen auch, stark mit dem seichten Wasser und den vielen Steinen zu kämpfen, die unvermittelt das Kajak auflaufen oder kippeln ließen. Die Gruppe kam nur recht langsam durch das mal schluchtige, mal wäldliche Stück und war über die zwei Verschnaufpausen durchaus dankbar. Das Kernstück stellte ein schönes Loch mit Rücklauf dar, das erst begutachtet und dann von einigen umtragen wurde. Die Mutigsten erprobten mehrfach die beste Linie und scheuten auch die Schwimmeinlage nicht, wurde doch fachmännisch von Wasser wie Land abgesichert. Am Meisten aber freuten sich die Kinder über die versteckten Schoko-Ostereier am Ausstieg, die der Osterhase wohl erst kurz vorher hier versteckt haben musste.

Tag Zwei verging, Tag Drei begann sonnig mit einer drastischen Reduzierung der Gruppe. Mike hatte sich nach einem Schwimmer beim Ausleeren des Bootes verhoben, die Kletterer wollten an den Fels, die anderen mussten sich erholen. Übrig blieben drei Topos, die in die Schlucht fuhren. Timo B./ Robin, das Schwesterngespann Kathrin/ Pia und Jutta zusammen mit Mark starteten am Campingplatz und fuhren dem 29 km entfernten Sauze entgegen. Kathrin spürte die Zweier-Strapazen der letzten Tage trotz leichtem Gepäck in den Flügeln, war doch sonst sie der Beifahrer statt Lenker.

Den Tanker heute mit ca. gleicher Beladung vorne zu steuern, stellte eine kleine Herausforderung dar. Aber auch nach zwei Vollbädern ließen sich die Schwestern ihre gute Laune nicht verderben. Mit zwei Pausen ging es in der 200m tiefen Schlucht vorbei an ruhiger Natur, einigen kleiderlos sonnenbadenden Franzosen und am „rocher de la cathédrale“, der Kathedrale, die ungefähr die Halbzeit ankündigt. Vom Wasser aus sieht der Fels aber viel mehr einem Kaiser mit Krone ähnlich. Am Ende der Fahrt kündigte sich der vielfach erhoffte Regen an, der die Bäche etwas füllen sollte.

Nach nun 55 gefahrenen Kilometern hieß es im leichten Nieselregen einen Regenerationstag einzulegen. Während die Erwachsenen sich ihrer Erholung frönten, wurde es den Kindern derweil müßig, lautstark den Campingplatz zu beschallen. Eine möglichst erholsame Beschäftigung musste her. Gesagt getan, es wurden die motorisierten Hühner gesattelt und zu einem felsigen Wanderweg gefahren.

Kurzum wurden die „küssenden Löwen“ und alles an Gestein, das über die Baumwipfel ragte, erklommen und die Aussicht bewundert. Der Regen konnte sich derweil nicht entscheiden ob Wasser marsch oder Wasser aus und so nutzten einige die Trockenzeit zum Bummeln und die Männer fuhren zur Kart-Bahn.

Gehofft wurde auf eine schlammige Quad-Strecke mit eingesifften Overalls, Dreck bis in den Ohrkanal und leuchtenden Augen bis zum Abendbrot. Geworden ist es eine Aufholjagd im Kart auf regennasser Fahrbahn, die für den einen oder anderen Dreher sorgte. Wieder daheim ließen wir die SUPs zu Wasser und sammelten damit erste Erfahrungen im „Wildwasser“.


Am Nächsten Morgen sah die Welt ganz anders aus. Es hatte über Nacht so stark geregnet, dass scheinbar die Stauseen geöffnet wurden und die Bäche gut und gerne einen bis zwei Meter höher standen als am Tag davor. Wo gestern noch ein breiter Strand zum Sonnenbaden einlud, meldeten die Kinder heute eine Sturmflut. Genau passend, strömte das Wetter nicht nur Wasser, sondern auch weitere Kanuten ins Camp. Lukas, Anna und Josef bezogen ihre Schlafplätze und gesellten sich zur heutigen Fahrt. Wir entschieden uns dazu, nochmal das Lanas-Stück zu fahren. Diesmal mit satt Wasser, stiegen die Schwierigkeiten leicht bis mäßig an, musste doch jetzt mehr auf Strömung, Wasserwucht und Linie geachtet werden. Ohne Steinkontakt konnte die Strecke in Rekordzeit auf neuen Wegen durchs Dickicht oder Steinlabyrinth befahren werden. Ein Flussabschnitt, zwei Gesichter; auch das kann Wildwasser sein!

Unter weiterhin Regen stieg der Pegel der Ardeche stetig an, während der Chassezac unter chronischem Niedrigwasser litt. Die Gruppe zerstreute sich zum zweiten Pausentag erneut in alle Herrenländer. Josef/ Anna und Lukas/ Mark befuhren nochmals die Schlucht in insgesamt 2:40 Std. Kathrin bummelte über den Wochenmarkt in Vallon, die kleinen und großen Kinder wanderten in der Chassezac-Schlucht durch Pfützen während die Ehrwürdigen die Salamandergrotte in unmittelbarer Umgebung zum Basislager erkundeten. Müde und glücklich traf man sich abends wieder zum Essen und Spielen.

Der letzte Sporttag sollte ein kurzer werden, wollte man doch noch die Taschen packen und die Hütten reinigen, um samstagmorgens die Heimreise antreten zu können. Über Nacht schossen die Pegel der Ardeche und des Chassezacs über alle Maßen in die Höhe. Während des Hängerladens machte der Campingbesitzer uns darauf aufmerksam, dass die Ardeche wegen Hochwassers offiziell gesperrt wäre. Auf unserer Anfahrt zum Einstieg des Chassezacs sahen wir auch warum: die 2 m hohen Wehre der Ardeche waren locker überspült. Wo vorher Rutschen die Boote leicht passieren ließen, war jetzt nur noch braune Gischt und Treibholz im Wasser. Glücklich, den zweiten Fluss auch noch paddeln zu können, gingen Josef/ Anna, Lukas und Pia/ Mark an die zwölf Kilometer lange Strecke von Vompdes nach Maisonneuve. Auch in dieser Schlucht wechseln sich felsige und waldige Abschnitte in epischer Naturschönheit ab, vielleicht sogar noch etwas schöner als die große Schwester. Aber für die Landschaft blieb nicht viel Zeit.

Die unglaubliche Wasserwucht mit Topo-verschlingenden Wellen erforderte zu jedem Augenblick höchste Konzentration und Aufmerksamkeit. Unterwegs traf man dann noch bekannte Mainzer Gesichter und plauderte kurz. Während die einen im Wasser spielten, durften die anderen mit den Quads im Schlamm fahren. Selbst ein Trockenanzug hätte hier nicht mehr helfen können. Zum Glück stand auf dem Campingplatz eine Waschmaschine. Derweil hatten Seidls und Jutta sowie die Zweier-Hütte mit Hund bereits morgens nach dem Frühstück die Heimreise angetreten und befanden sich auf den letzten Metern nach Hause. Nach den Reinigungsarbeiten ließen wir uns zum würdigen Abschluss Pizza vom Platzwart backen.

Einer kurzen Nacht folgten eine erstaunlich kurzweilige zehnstündige Rückfahrt im Bus und ein schnelles Reinemachen im Bootshaus. So lässt sich Ostern im Kreise der Lieben feiern.

Ich darf mich bei den insgesamt 20 Teilnehmern für ihre Kreativität, ihren Mut und ihre Geduld während der Fahrt bedanken; die Organisation für eine solch diverse Gruppe war nicht einfach. Dennoch bin ich überzeugt, dass alle eine interessante, abwechslungsreiche, teilweise erholsame und spannende Fahrt erlebt haben.

Bis zur nächsten Generationenfahrt!

Euer Bademeister