Murg, 20°C, Sonne; die Frisur und drei Mainzer rocken
„Herr Doktor, Herr Doktor, ich bin in letzter Zeit so niedergeschlagen und depressiv. Mir macht nichts wirklich Spaß und ich langweile mich sehr vor dem Fernseher. Es regnet ja nur die ganze Zeit.“ „Tja da kann ich leider nichts machen, aber ich hätte einen Tipp für sie...Beobachten sie doch mal den Pegel von Kellenbach und Murg. Nach den Regenfällen der letzten Tage sollte es möglich sein, sich dort ein wenig abzulenken.“ „OK Doc, wird gemacht“...
So oder so ähnlich hätte der Arztbesuch lauten können, wären wir nicht von selbst gleich losgefahren. Seit Donnerstag wurden beide Pegel täglich abgerufen und die Chancen ausgerechnet mal wieder Wildwasser zu fahren.
Samstag Abend...letztes Abrufen der Pegel und der Mitfahrer...beide Pegelstände sensationell, aber nur drei Paddler. Naja, man kann halt niemanden zu seinem Glück zwingen.
Sonntag morgen...Timo Beckers steht bei Mark Denny auf der Matte; Taschen einladen und weiter...Felix Krämer öffnet im Morgenmantel seine Haustür; auch seine Taschen einladen und ab in die KSG.
Da wir unseren Bootsbestand erst kürzlich erweitert haben, fiel die Auswahl der Boote auch nicht schwer: einen Eskimo Kendo und Felix’ neues Privatboot Salto. Timo vertraute auf seinen „alten“ (zweimal gefahren) Bliss stick. Drei Boote aufm Dach, drei Taschen im Kofferraum, drei Paddler im Auto...ich würde sagen: Vollständig! Abfahrt! Ab an die Murg bei Gaggenau!
Bei wolkenlosem Himmel, für die Jahreszeit sehr warmen Temperaturen und noch mehr Sonne im Herzen, wurden die Boote in Forbach abgeladen, das Auto versetzt und die Boote geschultert...aber was war das? Was war dort oben am Himmel? Drei Köpfe zeigen in den Himmel und Timo läuft ein Schauer über den Rücken. Ist das denn wirklich...nein kann nicht sein...nicht heute an einem so schönen Tag...aber vielleicht ja doch...hmm. Dann die Frage an die beiden anderen: „Ist das eine böse Wolke?“ Felix und Mark schauen sich an und brechen in tiefes Gelächter aus...Am Himmel zeigte sich ein einsamer weißer Wattebausch, der selbst wenn er wollte, nicht einen einzigen Regentropfen hätte fallen lassen können.
Nachdem dies geklärt war, ging es aufs Wasser. Der zwar schon bekannte und mehrmals befahrene Fluss zeigte sich diesmal von einer ganz anderen Seite. Aus dem „für Anfänger geeignet“-Fluss wurde ein „wer nicht aufpasst wird gefressen“-Bach. Aber hierzu später mehr.
Selbst die ersten Meter, die eigentlich zum Warmfahren und zur Bootsgewöhnung dienen sollten, waren schon eine kleine Herausforderung. Wellen, die einen verschlucken, harte Strömung und Bergwasser ist doch immer noch etwas kälter, als man denkt; alles in allem genau das Richtige für die KSG’ler.
Die Wellen wurden geritten, die Kehrwässer besetzt, die Sonne wärmte uns und doch, binnen der ersten halben Stunde kam uns schon ein fremder Paddler von oben entgegengeschwommen. Er sollte nicht allein bleiben.
Angekommen bei der ersten härteren Stelle wurde vom Waldrand aus besichtigt und die „Action-line“ festgelegt.
Die direkt darauf folgende Schlüsselstelle wurde gleich mit besichtigt, sodass ein weiteres Aussteigen nicht nötig war. Felix und Mark voraus, denn Timo musste ja filmen und sichern. Beide schafften es die untere Welle zu durchtauchen und so dem Rücklauf zu entgehen.
Die direkt darauf folgende Schlüsselstelle (der Niner) wurde dann aber nicht mehr auf der Action-line sondern auf der „wie-komme-ich-heil-runter-line“ gefahren, um dem berüchtigten Rücklauf zu umfahren. Beide schafften es ohne größere Schwierigkeiten. Weil’s einmal geklappt hat, klappt’s auch ein zweites Mal. Also Boote hochgeschleppt und Timo beim Befahren gefilmt. Auch er schaffte es mit Bravour.
Danach ging Felix zu Wasser, diesmal etwas näher der Action-line als beim ersten Mal. Anfahren, die gedachte Spur finden, ein Korrekturschlag, über die Kante und in den Rücklauf gefallen. Er wurde ordentlich gedreht und durchgeschüttelt. Von Außen sah man mal den Bug mal den Boden, mal gar kein Boot, da mal den Helm und eine Paddelfläche. Glücklicherweise spuckte der Rücklauf ihn dann wieder aus, Felix rollte hoch und ging an Land um Mark zu sichern.
Da ich Felix’ Schwierigkeiten von oben nicht sehen konnte, ihn nur relativ schnell bei Timo auf dem Felsen stehen sah, war diese Spur wohl doch nicht so schwer wie anfangs gedacht. Also fährt der kleine Mark sein Boot in die Spur von Felix beschleunigt etwas, ebenfalls ein Konterschlag und man rät es schon... ich wurde auch von der Walze erfasst und durchgeschleudert. Beim Versuch mich hoch zu rollen (der erste Versuch glückte, aber nicht lange) verklemmte sich mein Paddel im Gestein, so dass es nicht möglich war es wieder in Position zu bringen. Als ich es dann wieder frei bekommen hatte, schlug mir die Wasserwucht es aus den Händen. Paddler im Rücklauf ohne Paddel...sau dumme Angelegenheit. Einzige Möglichkeit die mir am logischsten erschien war der Ausstieg, was ich dann auch machte...
Puls auf 220, Adrenalin bis in den Zehnagel sah ich nur noch wie mein Boot, Paddel, Wurfsack und Proviantsack um mich herum auf dem Bach trieben. Den rettenden Wurfsack, keine Armlänge neben mir von Felix geworfen, hab ich gar nicht mehr wahrgenommen. Ans falsche Ufer gerettet mit Paddel und Wurfsack wurden alle Extremitäten abgezählt und Wunden gesucht...zum Glück nur zwei blaue Flecke an den Schienbeinen. Das neue Boot hingegen trieb direkt unter einen umgefallenen Baum, wo es dann auch stecken blieb und geborgen werden konnte. Zumindest wurde es jetzt schon mal eingeweiht und für KSG-tauglich befunden. Ein netter Paddler spielte dann Taxi und buxierte den Seemann wieder zu seinem Boot und seinem Team. Bis auf den Proviantsack wurde alles wieder gefunden und die Fahrt wurde fortgesetzt.
Das härteste Stück lag somit hinter uns, aber die Murg hatte noch die ein oder andere Welle für uns parat. Möglichst die Kehrwässer zu treffen die wir anzusteuern versuchten, bahnten wir unseren Weg zum Ausstiegspunkt. Mark (als einziger ohne Trockenjacke und komplett durchnässt) drängelte im letzten Stück dann das Team zum Ende, denn in der Sonne war die Wärme relativ angenehm, aber im Schatten war es dann doch zunehmend frischer und wer wird schon gerne von einer so genialen Fahrt krank. Am Ausstiegspunkt angekommen mussten die Boote noch einen Kilometer geschleppt werden bis man unser Transportmittel erkannte. Erst einmal in trockenen Klamotten war die Außentemperatur wieder sehr warm und die Innentemperatur wurde mit Kaffee und Tee wieder hochgefahren.
Ein kurzer Besuch beim ansässigen Fastfood Verkäufer brachte dann neue Kohlenhydrate und Energie zur Heimfahrt. Daheim angekommen wurden die Boote gesäubert und die ersten Kratzer, die ja bekanntlich am meisten schmerzen, begutachtet.
Eins ist klar...die Murg steht fest auf dem Programmplan der KSG WW-Paddler und jemand muss ja noch Mark’s Proviantsack finden. Also auf noch bessere Fahrten mit noch weniger Kratzern an Person und Material in der Zukunft.