Berichte Theorie und Praxis – Zwei Seiten einer Medaille
Ring ring, ring ring,
“Jap watt gibt?”
„Moin! Sonntag schon was vor?“
Wäsche waschen, kochen, Staub saugen, Zocken, TV-Serien und Filme schauen, Nase bohren, Freundin ist auch noch da, Weihnachtsgeschenke bestellen und einkaufen, Sommerurlaub planen, Fenster putzen, kaputte Glühbirne im Keller auswechseln, generell da unten mal fegen und aufräumen, Wäsche aufhängen, Küche säubern, joggen...nee nicht am Wochenende!, hatte ich Sofa und TV schon? Sind noch Chips und Bier da? Dann muss ich vorher noch einkaufen gehen...und alles verstauen und wegräumen.
„Nein, was steht an?“
„Kanu Wintercup in Mainz! Biste am Start?“
„Eijo“
„Meldest du uns an?“
„Eijo“
„Super, bis Sonntag denn!“
„Eijo“
So begab es sich, dass Mark sich von Timo und Josef breit schlagen ließ am Kanu Wintercup 2014 in Mainz teilzunehmen.
Das macht Spaß, haben sie gesagt.
Das wird lustig, haben sie gesagt.
Das dauert nicht zu lange, haben sie gesagt.
Die Geschichte des Wintercup ist eine lange, harte und kalte Errungenschaft einiger weniger Abfahrtsfahrer, welche die Winterpause im Jahre des Herrn nicht verkraften konnten und so ein viergeteiltes Rennen auf die Beine stellten und dem Endsieger ein Preisgeld schenkten. Die Tradition besagt, dass eine zwölf bis fünfzehn Kilometer lange Strecke zu befahren sei und alle Kanuten, Canadier sowie SUP’ler (Stand-up-paddling) teilnehmen dürfen. Dieses Jahr hatten sich nun unsere Nachbarn um eine Ausrichtung bemüht und sogleich den Zuschlag erhalten. Festgesetzt wurde ein Rundkurs, startend an der 1000m-Marke im Industriehafen, einmal um die Rettbergsaue und wieder zurück zu deren Spitze, um dann bergab auf Höhe der Vereinsheime die Ziellinie zu überqueren. Diesem theoretischen Vorhaben machten die praktischen Brückenbauarbeiten einen Strich durch die Rechnung, sodass am Morgen des Starts ein neuer Kurs festgelegt wurde: Start im Hafen mit ZWEI Runden auf der Mainzer Seite der Rettbergsaue.
Während Josef und Timo wochenlang den alten Rundkurs besichtigt, minutiös verplant und trainiert hatten, beschränkte Mark sich auf bootsalternative Sportarten wie Gymnastik, Ballspiel, (viele) Liegestütz, Jogging und Krafttraining.
Nach der Obleuteversammlung gingen 112 Starter an den Massenstart, wobei deren familiäre und materialistische Überreste wie zu besten Mainzer Regattazeiten die Gegend um den Knüller bevölkerten und in Ausnahmezustand versetzten. Unter den Startern befanden sich 25 SUP’ler und 87 Kanuten, davon 12 Schüler und fünf Zweier. Josef musste sich aus familiären Gründen entschuldigen, sodass zwei rot-weiße Mainzer am Hafenende auf das Startsignal warteten. Um 11:05Uhr wurde die wilde Meute entlassen, womit schlagartig Déjà-vus aus alten Regattatage geweckt wurden. Erstes Highlight war die enge Wende aus dem beruhigten Hafengewässer in den Strom, die einigen Sportlern etwas mehr abverlangte als anderen. Die Kehrwässer entlang des Parcours forderten gegen Ende sogar ein paar Schwimmer.
Generell war der theoretische Schlachtplan simpel: Anschluss behalten, Welle suchen, Kräfte sparen, überleben bis ins Ziel.
Während Timo sich auf der ersten Gegenstrom-Etappe im vorderen Drittel platzieren konnte, hatte Mark Schwierigkeiten gleichzeitig den Anschluss nicht zu verlieren und Kräfte zu sparen. Noch vor der ersten Stromwende meldeten sich erste Verschleißteile zu Wort, wann der kräfteschonende Teil für sie beginnen würde.
Oben, und wenn ich oben sage, dann meine ich oben an der obersten Spitze der Inselspitze, ankerte ein Katamaran, der die Passierenden abhakte und bergab schickte.
Nun könnte man meinen, die Fahrt mit dem Strom wäre ja theoretisch leichter, hätte gar regenerative Eigenschaften. Bergab, lässt man sich treiben, den Muskel atmen, Sauerstoff tanken. Soweit die Theorie, doch praktisch weit gefehlt! Denn die anderen haben die gleiche „Erleichterung“ und so langsam machten sich faule Hautstellen an den Händen in Form von 5-Cent-Stück großen Blasen bemerkbar. Auf Höhe der Vereine verabschiedeten wir uns von den Schülern, die duschen gehen konnten. Naja, theoretisch UND praktisch mehr Platz für mich auf der Strecke! Bevor ich die Wende richtig erkennen konnte, erkannte man aber das unverkennbare Gesicht von Timo, der mir schon entgegen kam und (noch) grinste.
Unten, und wenn ich unten sage, dann meine ich unten an der untersten Spitze der Inselspitze, ankerte ein zweites Boot an dem wiederum die Teilnehmer kartographiert und bergauf geschickt wurden. Was man leider auf der vermeintlich leichteren Strecke nicht regenerieren konnte, fehlte nun demnach auch auf der vermeintlich schwereren Strecke. Auf Höhe unseres Vereinsheims wurden wir von frenetischen Fangesängen, Jubel und Frohlockigkeit auf die zweite Runde eingestimmt (DANKE fürs Kommen!). An dieser Stelle verließen nun auch die SUP den Wettkampf.
Da die Strömung im Mainzer Lande leider keinen Gezeiten unterliegt, blieb sie so erbarmungslos wie in der ersten Runde und die Kräfte schwanden Kilometer für Kilometer. Ein zweiter kleiner Plausch am Katamaran der obersten Oberspitze sowie am Boot der untersten Unterspitze und endlich ab nach Hause.
Am Ende nach offiziellen 17km hieß es Platz 31 nach 1:19Std für Timo und Platz 59 nach 1:32 für Mark.
Rein theoretisch würde man Welten zwischen den Zeiten sehen, aber praktisch gesehen sind 13Minuten für eine minimale Vorbereitung auf eine solche Distanz gar nicht mal soooo viel. Wo wir grad bei Theorien sind, rein theoretisch hätte Josef wahrscheinlich auch nicht schlecht abgeschnitten, praktisch werden wir es wohl niemals erfahren.
Letzten Endes eine sehr schöne Veranstaltung, die hoffentlich und wahrscheinlich weiterhin Bestand haben wird. Sofern die nächsten Cup-Strecken nicht allzu fern liegen, werden die Mainzer Langstreckenexperten wieder die Wenden unsicher machen.
Mit müden Knochen und vorweihnachtlichen Grüßen
Euer Bademeister
Offizieller Bericht
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